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Räuchern in der „Zwischenzeit“

Gabriele Lindinger-Cacha

Viele Mythen ranken sich um die langen Nächte rund um den Jahreswechsel. Die Tage bieten sich auf jeden Fall für eine erholsame Auszeit vom Alltag an.


Die Raunächte bringen eine geheimnisvolle, nahezu magische Stimmung mit sich. Nicht umsonst werden sie von einer Fülle an Bräuchen und Ritualen begleitet. Kräuter wie Salbei, Thymian oder Rosmarin können so wie Reisig auch ohne vorheriges Trocknen verwendet werden. Foto: stock.adobe.com/behewa

Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit der Raunächte. Eine geheimnisvolle, nahezu magische Stimmung liegt über diesen Nächten, in denen das alte Jahr dahinzieht und das neue Jahr beginnt. Es ist eine Zeit voller Märchen und alter Überlieferungen: Träume sollen wahr werden, Tiere um Mitternacht sprechen können. Nicht umsonst werden sie von einer Fülle an Bräuchen und Ritualen begleitet.


„Raunächt‘ san vier, zwoa foast und zwoa dürr“

Die Anzahl der Raunächte unterscheidet sich je nach Region von drei bis zwölf Nächte. Eingebettet sind sie in die Zeit von der Wintersonnenwende bis zum Dreikönigstag. Im alpinen Raum bekannt ist der Spruch „Raunächt‘ san vier, zwoa foast und zwoa dürr“. Damit gemeint sind die Thomasnacht (21./22. Dezember), die Heilige Nacht (24./25. Dezember), die Silvesternacht (31.Dezember/1. Jänner) und die Nacht vor Dreikönig (5./6. Jänner). Die erste und die dritte waren die „dürren“ Raunächte – bezogen auf das Essen, das an diesen Tagen mager war im Vergleich zu den üppigen Mahlen in der Heiligen Nacht und zum Dreikönigstag. Aus kirchlicher Sicht sind es die Nächte vom 25. Dezember bis zum 6. Jänner, wenn von den zwölf heiligen Nächten gesprochen wird.


Zwölf Mondphasen und ein Jahr: nicht synchron

Ihren Ursprung haben die Raunächte, die auch unter dem Namen Zwölfte, Weihe- oder Glöckelnächte bekannt sind, vermutlich in der Zeitrechnung nach einem Mondjahr. Ein Mondjahr mit zwölf Mondmonaten umfasst 354 Tage und ist damit um elf Tage (und eben zwölf Nächte) kürzer als das Sonnenjahr, nachdem sich unser Kalender richtet.Daher kommt auch die Idee, die Raunächte als „Zeit zwischen der Zeit“ zu sehen. In diesem zeitlichen Nirwana, das als bedrohlich empfunden wurde, kam die Urangst des Menschen vor Übersinnlichem besonders zum Tragen. Um sich vor jeglicher Unbill zu schützen, wurde geräuchert. Beim Gang durch Haus und Stall wurde Gottes Segen erbeten und versucht, das Böse zu vertreiben. Wie die Rauchschwaden sollten auch Bitten und Anliegen quasi aufsteigen. „Die Vorstellung ist anschaulich und steckt hinter jeder Verwendung von Weihrauch in der Liturgie“, schreibt Reinhard Kriechbaum im Buch „Weihnachtsbräuche in Österreich“. Im ländlichen Raum ist das Räuchern nach wie vor sehr beliebt und verbreitet. Früher wurde zu sehr vielen Gelegenheiten und unterschiedlichen Zwecken geräuchert – etwa um zu reinigen und zu desinfizieren, um vor negativen Energien zu schützen oder Kleidung und Wohnräume zu aromatisieren. Anlässe waren besondere Ereignisse im Leben. Aber auch bei Gewittern wurde geräuchert, um Schutz zu erbitten.


Wem das Vertreiben böser Geister zu wenig wissenschaftlich erscheint, für den hat Kräuterpädagogin und Landwirtin Silke Antensteiner aus Vorderstoder (OÖ) weitere Argumente: „Die feinen Räucherdüfte können nachweislich die Stimmung verbessern und zaubern weihnachtliche Atmosphäre ins ganze Haus. Räucherrituale wirken nicht allein über den Geruchssinn auf das Wohlbefinden, sondern über das limbische System, in dem das Gehirn Emotionen und Sinnesreize verarbeitet, sogar auf das Langzeitgedächtnis“, so Antensteiner.


Sie empfiehlt folgende heimische Kräuter für die Räucherschale:

  • Beifuß: wirkt anregend, reinigend und soll Schutz geben, war früher die Haupt-Räucherzutat

  • Johanniskraut und Königskerze: stimmungsaufhellend, „bringt die Sonne ins Haus“

  • Thymian: gut für die Atemwege und die Nerven

  • Rosenblätter: Liebe und Herzenskraft

  • Wacholder: desinfizierend, aufbauend, heilend und reinigend

  • Lavendel: reinigend, desinfizierend, beruhigend

  • Baldrianwurzel: schafft Harmonie, beruhigend

Dazu verwendet die Bäuerin gerne das Harz und die Nadeln von Fichte und Tanne. „Wir haben so viele heimische Schätze vor der Haustür, da braucht es keinen Weihrauch von weit her“, meint die Oberösterreicherin.


Die Zeit der Raunächte bietet sich auch heute an, einmal „außerhalb der Zeit“ zu leben. Viele Menschen haben Urlaub vom Berufsleben, Schüler und Studenten haben frei. Das Weihnachtsfest rückt die Familie in den Vordergrund, man trifft Verwandte und Freunde und nimmt sich Zeit für Gespräche. Die Pflichten des Alltags rücken in den Hintergrund, das Leben darf langsamer und ruhiger verlaufen. Wie die Natur an ihrem Nullpunkt ankommt, so soll auch der Mensch einmal ganz bei sich selbst sein. Körper und Geist können in der „stillen Zeit“ zur Ruhe kommen und Kraft für ein neues Jahr schöpfen. Es ist auch Zeit, das zu Ende gehende Jahr abzuschließen und sich zu überlegen, was im kommenden Jahr wichtig ist.


Text: Gabriele Lindinger-Cacha

 

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